Der Joey kommt ja ursprünglich aus einem der größten Tierheime der Welt, nämlich aus der Smeura in Rumänien. Was er da erlebt hat, entzieht sich unserer Kenntnis, und was vor dieser Zeit mit ihm passiert sein mag, liegt erst recht im Ungewissen – es wird wohl kaum das Beste gewesen sein.
Was man aber mit großer Sicherheit sagen kann, ist, dass die Versorgungslage in diesem Tierheim, das zwischen 3000 und 5000 Hunde beherbergt, nicht optimal gewesen sein dürfte. Wahrscheinlich können die Tierheimhunde dort schon froh sein, wenn sie überhaupt regelmäßig zu fressen bekommen – die Qualität des Futters mag man sich nicht einmal ansatzweise ausmalen. Auch bei der Wasserversorgung muss man einfach davon ausgehen, dass es nicht durchgehend ausreichend zu trinken für alle Tiere gegeben haben wird.
Der Joey ist jetzt mehr als sieben Jahre alt; und obwohl er bereits im Alter von ungefähr einem Jahr über das Tierheim Bielefeld in seine erste Familie gekommen ist, hat er aus Rumänien einen derart großen Koffer voller Ängste und Unsicherheiten mitgebracht, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass er sie in diesem Leben je komplett wird überwinden können.
Vor diesem Hintergrund kann ich nur allzu gut verstehen, dass er bei Spaziergängen seine Antennen ständig auf potenzielle Futterquellen ausrichtet und alles mögliche und unmögliche verspeist oder zu verspeisen versucht, was ihm so vor die Flinte gerät. Und meistens geschieht das in einem solchen Tempo (unsichtbare Futterkonkurrenten könnten ihm ja schließlich etwas streitig machen!), dass ich mit meinem „Aus! Igitt!! Pfui!!!“ in der Regel zu spät komme.
Hier eine kleine Auswahl seiner Leib- und Magenspeisen, sozusagen „to go“:
- Pfützenwasser (je schlammiger, desto besser)
- Pferdeäpfel (aber nicht die ganz frischen, sondern bitte schon etwas abgelagert)
- Silage (je stinkiger, desto besser)
- Grasbüschel (aber bitte nicht nur einzelne Halme, sondern mit Wurzeln und Erdballen)
- weggeworfene Essensreste wie Butterbrote (wohingegen er Brot zu Hause noch nicht einmal eines Blickes würdigt)
- undefinierbarer Schlodderkram
- und seit gestern: Erbrochenes.
Logisch, dass er da in mir keine ernsthafte Konkurrenz ums Essen sehen muss...
Umso unverständlicher ist mir auf der anderen Seite die Futtermäkelei des Hundes. Man könnte meinen, dass er in einem derart riesigen Tierheim gelernt haben sollte, für jedes auch nur einigermaßen gute Futter dankbar zu sein; und bei uns bekommt er nicht nur ein einigermaßen gutes, sondern sogar hochwertiges Futter, das darüber hinaus auch noch vom Rütter empfohlen wird. Aber trotzdem lässt der Joey es immer wieder stehen.
Da die Hunde meiner Freundin nachmittags zur Kaffeezeit schon quasi ritualisiert eine rohe Möhre verspeisen, versuche ich es beim Joey irgendwann auch einmal mit einer solchen; aber schon dieser einmalige Versuch wird mit einem langen Hundegesicht quittiert.
„Roh nicht, aber gekocht!“ empfiehlt Joeys frühere Besitzerin, als ich ihr am Telefon unser Leid klage, „Er liebt gekochte Möhrchen oder auch mal Kartöffelchen!!“ Also greife ich zu Sparschäler und Messer, schäle und schnippel Möhrchen und koche sie zart über. Der Joey frisst genau eine Portion Möhren – die zweite Portion verschmäht er. Also schnippel und koche ich am nächsten Tag Kartöffelchen, die der Joey wiederum genau einmal frisst, die zweite Portion kann ich mir in die Haare schmieren.
Als bei der Arbeit einmal eine große Menge Kartoffeln übrig ist, starte ich – nicht wirklich überzeugt von meinem Tun – einen neuen Versuch und halte ihm eins dieser völlig geschmackfreien, weißlichen Dinger vor die Nase. Schwupps, verschwindet die Kartoffel im Hund, er schmatzt und verlangt nach mehr. Kann er bekommen, sind ja genug da. Doch je länger die Kartoffeln im Kühlschrank liegen und je wässriger und farbloser sie werden, desto schlechter wird mein Gewissen, dass ich dem armen Hund dieses Zeugs überhaupt noch zumute – aber umso lieber scheint er sie zu fressen. Irgendwann ist der Kartoffelsegen dann vorbei, und das Futter bleibt wieder stehen.
Es gehen vielleicht zwei Wochen ins Land, bis bei der Arbeit erneut Kartoffeln übrig bleiben – eine riesige Menge, die ich mir mit den Worten „Unser Hund liiieeeebt sie!!“ unter den Nagel reiße. Zu Hause angekommen, halte ich dem Joey triumphierend diesen Schatz unter die Nase: „Ja, schau mal, was ich hier Feines hab: KARTOFFELN!!!!“ Joey schaut kurz auf die hingehaltene Kartoffel, wendet sich leicht angeekelt ab – die kann ich mir von ihm aus in die Haare schmieren.
In diesem Moment wär ich am liebsten mit 'nem Eimer zum letzten Bauern in der Nachbarschaft gelatscht und hätte ihn um ein paar Pferdeäpfel oder einen Liter Gülle gebeten – die könnte ich dem Joey dann das nächste Mal über's Futter gießen, wenn er's mal wieder nicht mag...
Gossenhund, Teil 2
Neulich auf der Facebook-Seite eines kleinen Tierschutzvereins: Die Besucher posten lustige Vorher-Nachher-Fotos ihrer Hunde, die sich in Unrat gewälzt haben und dann nach dem Duschen mit übellaunigen Gesichtsausdrücken in die Kamera schauen.
Ihren Besitzern wünschen sie wahrscheinlich grad die Pestilenz an den Hals, weil diese soeben einmalige Duftnoten wie „Eau de Güllée“ oder „5-Tage-toter-Vogel“ mit stinkigem Hundeshampoo in den Ausguss befördert haben. Die meisten Kommentare bekräftigen lauthals, dass dieses Phänomen auch vom eigenen Hund hinreichend bekannt und besonders in ländlichen Ausflugsgebieten gefürchtet ist.
Wenn ich bei Facebook wäre, hätte unser Kommentar allerdings gelautet: „Joey ist entsetzt und lässt fragen, wo es solche Barbaren gibt, die sich in ihrem Essen wälzen?!?“

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