Manche mögen's hart

 

Teil 1

 

Wenn der Ron uns etwas gelehrt hat, dann war es: Bequemlichkeit. Ich meine damit nicht die Art von Bequemlichkeit, die einen typischen Sesselpuper ausmacht, sondern vielmehr die Fähigkeit, sich alle erdenklichen Lebenslagen möglichst angenehm zu gestalten.

So hatte er es sich im Stehen zur lieben Gewohnheit werden lassen, seinen Kopf auf allen möglichen oder auch unmöglichen Ablagen zu parken: auf dem Couchtisch, auf einem Stuhl, auf dem Fußhocker, auf der Hutablage im Auto... Als ich ihm einmal gedankenverloren den Rücken tätschelte, während ich telefonierte, legte er seinen Kopf sogar auf dem Küchenwagen ab, und zwar hinter den Kochbüchern – offenbar waren ihm schon wenige Quadratzentimeter vollkommen ausreichend; Hauptsache, das schwere Haupt musste nicht mehr getragen werden.

 

Auch das Sofa hatte er schnell für sich entdeckt. Das allerdings betrachteten wir mit Unbehagen; schließlich ist eine Harninkontinenz, und sei es auch nur eine tröpfchenweise, bei einem Hund, der sich die Inkontinenzunterlagen nach seinen eigenen Vorstellungen zurechtkramt, für den Geruch eines Polstermöbels langfristig nicht gerade förderlich. Auch aus diesem Grund versuchten wir, sein eigentliches Lager so gemütlich wie möglich zu gestalten, indem wir ihm umgehend ein weiches Hundebett kauften, das zudem noch einen hohen Rand besaß, der den Hund vor Zugluft schützen sollte. Ron bezog freudig das neue Bettchen, um in der Nacht wiederum aufs Sofa zu steigen.

 

Eine weitere Vorliebe – oder genauer gesagt: Leidenschaft – galt den Kissen. Mit einer Nackenrolle, die wir einmal beim Kauf von Bettwäsche als Werbegeschenk erhalten und ihm überlassen hatten, fing es an, und es ging weiter mit einem alten, aber noch tadellosen Sofakissen, das bei einer Haushaltsauflösung schon im Müll gelandet war.

Trotz seiner alten Stumpenzähne entwickelte Ron durch seine exzessive Kissenherzerei mit der Zeit einen formidablen Kissenverschleiß, so dass Leute, die uns und ihn besser kannten, bei Besuchen weder Blumen noch Wein für uns, sondern ein neues Kissen für den Hund mitbrachten. Wir fanden's – ehrlich gesagt – sehr aufmerksam. So sammelten sich im Laufe der Zeit derart viele Kissen bei uns an, dass es möglich war, einen Teil davon zu waschen, während dem Hund immer noch mindestens zwei Kissen blieben. Als der Ron es sich mit den Kissen in seinem Hundebettchen einmal besonders gemütlich gemacht hatte und Olaf völlig übermüdet vom Frühdienst nach Hause kam, hörte ich ihn nur noch murmeln: „Hund, rutsch' mal 'n Meter zu Seite...“

 

Rons Lieblingskissen war ein großes, hellblaues aus etwas dickerem, gestepptem Stoff, das sich sowohl prima waschen als auch gut flicken ließ. Wenn dieses Teil mal wieder durch seine Zähne gegangen und reichlich verschrappt war und die Füllung herauszuquellen begann, griff ich immer wieder zum Nähzeug. Dem Ron konnte es dann nie schnell genug gehen: Ständig stand er vor mir, zupfte immer wieder vorsichtig am Kissen, an dem noch Nadel und Faden und meine Finger hingen, als wolle er mich zur Eile antreiben. Hatte er's dann endlich zurück, verschwand er mit dem Kissen und einem seligen Gesichtsausdruck in seiner Kudde.

Mich hat übrigens die Tatsache, dass ein Hund für Kissen schwärmt, nicht unbedingt überrascht – schließlich werden von Hundehaltern heutzutage enorme Summen für Quietschies und Plüschtiere ausgegeben, und das bestimmt nicht ohne Grund.

Was mich hingegen immer wieder fasziniert hat, war, dass der Ron ganz offensichtlich wusste, was man mit einem Kissen macht, was sein eigentlicher Zweck ist, nämlich den Kopf drauf zu legen, und zwar sowohl in der Seiten- als auch in der Bauch- und Rückenlage!

Als wir den Ron schließlich nach vielen, vielen Jahren in einem Winkel unseres Gartens beerdigten, war Olaf und mir auch ohne Absprache klar, dass wir ihm ein Kissen mitgeben mussten.

 

Wenn auf den Joey als Nachfolger vom Ron eine Aussage immer wieder zutrifft, dann die, dass er anders ist, in eigentlich jeglicher Hinsicht. Aber: auch der Joey legt gerne mal seinen Kopf auf dem Eichenbalken ab, der an seine Kudde grenzt. Nun hat er aus seinem früheren Zuhause außer der Kudde noch ein Schaffell mitgebracht; und so kam Olaf irgendwann auf die grandiose Idee, es einfach ein Stückchen über den Eichenbalken zu ziehen, so dass das harte Holz zumindest ein klein wenig abgepolstert war und der Hundekopf es etwas bequemer hätte. Ich weiß nicht, wie oft einer von uns das Fell wieder neu gerichtet hat; wir haben es irgendwann aufgegeben, denn dem Joey scheint der harte Balken gerade recht zu sein.

Als aufgrund meiner Stundenerhöhung abzusehen war, dass wir den Hund immer mal wieder stundenweise bei meinen Eltern unterbringen müssten, wollte meine Mutter, dass er's auch bei ihnen so bequem wie möglich hat und zeigte auf einen Prospekt der Genossenschaft gegenüber, wo gerade Liegekissen für Hunde im Angebot waren. Also schnell hin, bevor die großen Modelle, weil ja so günstig, wieder ausverkauft sind.

Aber wie's beim Joey dann halt so ist: Ihm ist das Kissen unheimlich, weil zu weich. „Wenn er's nicht will, kommt's eben in meinen Fernsehsessel,“ meint meine Mutter, denn Joey weigert sich tatsächlich strikt, das Kissen auch nur mit einer Pfote zu berühren und zieht sein übliches Schüppchen. Da muss dann erst wieder der Olaf kommen. Bestaunt das neue Kissen, rollt die alte Decke vom Hund (die wir auch erst vor drei Wochen gekauft haben) zusammen, legt sich selbst aufs Kissen und spricht nur die magischen Worte: „Ach Junge!“ Hund legt sich schließlich zum Olaf auf das Kissen, erst skeptisch und verkrampft, aber dann entspannt er sich. Wird wohl nix mit 'nem neuen Polster für den Fernsehsessel, denke ich....

 

 

Teil 2

 

Hunde und ihre Dickschädel …

Auch der Joey hat einen solchen, und in dem ist aus irgendeinem Grund in Stein gemeißelt, dass er nicht auf einem weichen Kissen liegen darf. Besagtes Hundekissen lag über Wochen neben der älteren (und für meine Begriffe viel zu dünnen) Decke, ohne dass er jemals ernstzunehmende Annäherungsversuche gewagt hätte. Ich hab wirklich alles versucht: Leckerchen auf das Hundekissen gelegt (ließ er halt liegen), die alte Decke weggenommen (lag er halt auf dem harten Boden); gezeigt, dass das Kissen gar nicht so böse ist wie es ausschaut... Alle Versuche wurden mit einem Mega-Schüppchen quittiert; und ich bin mir sicher, dass, wenn der Joey ein Handy hätte, er zusätzlich auch den Tierschutz eingeschaltet hätte.

Nachdem das Kissen nun einige Wochen vollkommen nutzlos im Gäste-WC eingestaubt war (für den Fernsehsessel meiner Mutter war es dann doch zu groß), gab ich es schließlich zur Probe meiner Freundin mit; ihre beiden Hunde haben eindeutig mehr Sinn für Gemütlichkeit als der Joey.

Nach nur wenigen Minuten schickt sie mir ein Bild aufs Handy: Maja, die alte und mittlerweile fast taube Hündin, die mit selig geschlossenen Augen auf dem neuen Hundekissen schlummert...

Wenige Minuten später kommt ein Foto von Pelle, dem kleineren und jüngeren, der jetzt statt Maja auf dem Kissen liegt. Der Text dazu: „Pelle hat laut gebellt, da ist Maja dann endlich aufgestanden, um nachzusehen, was da los ist, und er hat sich auf dem Kissen ausgebreitet...“

Also alles gut: Ich beschließe, das Kissen den beiden zu überlassen; sie wissen es offenbar mehr zu schätzen. Kommentar meiner Freundin – wiederum per SMS: „Skandal! Da muss das arme Tier erst 13 Jahre alt werden, um ein gescheites Kissen zu bekommen!! Eindeutiger Fall für den Tierschutz!“

 

 

Teil 3

 

Neuer und – wahrscheinlich – letzter Versuch:

Eine ehemalige Kollegin möchte sich für ein paar DVDs revanchieren, die ich ihr überlassen habe. Da sie eine nicht unbegabte Hobby-Schneiderin ist, darf ich mir etwas wünschen, das sie dann nach meinen Vorstellungen für mich nähen wird. Ein Loop-Schal kommt für mich nicht infrage, den kriege ich nicht schnell genug über den Kopf, wenn mal wieder eine Hitzewallung kommt, außerdem ruiniert's die Frisur. Schließlich weiß ich was: ein Kissen für's Schüppchen! Da muss er sich nicht komplett drauflegen, und für den Fall, dass er es nicht einmal als Kopfkissen akzeptieren sollte, kann man es immerhin noch dekorativ an die Wand lehnen, damit der Hund nicht die Tapete fettig macht.

 

Irgendwann ist der Kissenbezug dann tatsächlich fertig: brauner Stoff mit weißen Punkten, passend sowohl zu unserer Einrichtung als auch zum Schlaflager des Hundes. Mit blauem Pünktchen-Stoff der Name des Hundes, darunter eine stilisierte Knochen-Applikation aus braunem Leder. Ich bin hin und weg, so gelungen ist der Bezug. Die Füllung, die wir besorgt haben, finde ich genau passend: noch gut knautschbar, aber auch nicht zu fest – perfekt!!

Olaf und Hund sind grad spazieren, und so lege ich das fertige Meisterwerk dem Joey in die Kudde, schön dicht an die Wand natürlich, damit er sich nicht gleich genötigt fühlen muss, sich draufzulegen.

Tja, die Sache hat nur einen einzigen Haken, und der befindet sich in Joeys Kopf, denn da ist in Stein gemeißelt, dass er nicht einmal ebendiesen...

Und nachdem der Hund das Kissen jetzt über Tage hinweg misstrauisch beäugt hat, sobald es auch nur in der Nähe einer seiner Ruhestätten lag, hab ich es mir letzten Endes für meinen Fernsehsessel an Land gezogen, denn wenn ich vom Ron eins gelernt habe, dann ist es: Bequemlichkeit.

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