Kreativ geht anders
Immer dann, wenn ein Hund gestorben ist und der Kopf und die Gefühle langsam, langsam wieder frei werden für die Möglichkeit eines neuen Hundes, machen wir uns Gedanken, nein: eben nicht über eine zu uns passende Hunderasse oder die Eigenschaften, die das neue Familienmitglied gern haben darf, sondern über möglichst ausgefallene oder originelle Namen für den nächsten Hund.
Jetzt ist es nun mal so, dass – wenn man einen „Second-Hand-Hund“ übernimmt – man an dem Namen des Hundes, sofern er denn einigermaßen auf ihn geprägt ist, nicht mehr viel ändern kann. Und deshalb sind solcherlei Überlegungen nichts weiter als Gedankenspiele, denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass uns nochmal ein Welpe ins Haus kommen wird.
Dennoch habe ich eine Zeitlang tatsächlich mal alle Namensideen säuberlich notiert, nur um für den Fall der Fälle vorbereitet zu sein.
Auch ein paar meiner früheren Kollegen trugen mit den Namen ihrer Hunde zu meiner Sammlung bei. Durchaus innovativ fand ich zum Beispiel den Namen „Seven“ (weil der Hund als 7. in der Welpenreihe geboren worden war und weil es an die Borg („Seven of nine“) aus der Star-Trek-Serie erinnerte). Der lackschwarze Doggenmischling einer früheren Ausbildungskollegin, den sie aus Frankreich mitgebracht hatte, hörte dagegen auf den wundervollen Namen „Calou“; und ich warte seitdem immer noch auf einen Hund, dem ich diesen Namen geben könnte.
Wunderbar auch der Name „Purzel“ für den Schäferhundmix (!) eines Kollegen – Überraschung: wer da mal an der Haustür klingelt und ein kleines Schoßhündchen erwartet...
In Zeiten der Serie „Dr. House“ lauteten unsere Namensfavoriten schlicht „House“ oder „Cuddy“; aber auch „Taub“ und „Dreizehn“ fanden wir klasse. Als vor uns mal ein Auto mit dem Werbebanner einer Hundeschule herfuhr, fand ich ja den Namen „Wiesensprung“ zumindest eine Stunde lang total witzig.
Meine Mutter dagegen ist im Laufe der Jahre wesentlich pragmatischer geworden; je älter sie wird, desto weniger kann sie sich die Namen unserer Hunde merken. Daher heißt bei ihr – zumindest wenn er mal schnell gerufen werden muss und keine Zeit ist, alle Namen durchzugehen („Castor, nein, Yoko, quatsch, Donna... hierher, aber dalli!!“) – seit Siska und in Reminiszenz an Elke Heidenreichs „Nero Corleone“ jeder Hund der Einfachheit halber nur noch „Hund“.
Es gibt jedoch bei der Namensgebung von Hunden zwei Phänomene, die ich ganz und gar nicht verstehen kann.
Das sind zum einen die völlig überflüssigen Stereotypien, das heißt, dass vom Namen des Hundes ein zuverlässiger Rückschluss auf die Rasse möglich ist und umgekehrt. Und dabei denke ich nicht mal an so etwas Abgewetztes wie „Rex“, „Hasso“ und „Blacky“ (letzterer ist allenfalls für einen weißen Hund noch einigermaßen originell), sondern zum Beispiel:
- Kira: (schwarze) Labradorhündin
- Lucky: (schwarzer) Labradorrüde
- Bonnie / Bonny: Golden-Retriever-Hündin
- Rocky: Schäferhund oder Rottweiler
- Tyson und Spike(y) oder Sparky: Vertreter der sogenannten Kampfhundgilde.
Ich finde es geradezu erbärmlich, einem Welpen einen solchen Namen zu geben, wenn einem doch das ganze Universum der originellsten Hundenamen zur Verfügung steht!
Das zweite, mir vollkommen unverständliche Phänomen besteht in der zunehmenden Annäherung bis hin zur Austauschbarkeit von Hunde- und Kindernamen. Als ich mich in unserer dreijährigen hundelosen Zeit durch die Internetseiten diverser Tierheime blätterte, stolperte ich immer öfter über Bens, Emmas, Pauls und Paulas... – die samt und sonders auch in der jährlichen Hitliste der beliebtesten Kindernamen ganz weit oben rangieren.
Neulich im Heimtiercenter: Auf dem Rückweg aus der Stadt beschließe ich spontan, kurz bei „Fressnapf“ anzuhalten, um für den Hund noch eine Tüte Rinderkopfhaut zu kaufen, die es gegenüber in der Genossenschaft leider nicht gibt (denn ansonsten würde ich mich selbstredend an den Satz „Support your local scene!“ halten).
Was ich an dieser Kette aber durchaus schätze, ist, dass Hunde, die sich auch nur einigermaßen betragen können, in den Ladenlokalen durchaus gern gesehene Gäste sind. Immerhin hat uns dieser Service seinerzeit vor dem Fehlkauf eines Hundebettes bewahrt, welches Olaf und ich total gemütlich fanden; der Ron, den wir beim Einkauf zum Glück mit ins Geschäft genommen hatten, stakste dagegen mit unglücklicher Mine in der Kudde herum, weil: zu weich...
Der Kassenbereich ist hier ähnlich aufgebaut wie eine durchschnittliche Supermarktkasse: In Nasenhöhe befinden sich eine Reihe von offenen Kästen mit diversen Leckerchen zur Selbstbedienung, denn klar: Was der Hund sich nimmt, muss der Halter bezahlen; und ich gehe jede Wette ein, dass Ron nicht der erste Hund war, dessen Schnauze in einer der Kisten verschwand.
Genau in diesem Gang kommt mir jetzt eine Frau mit einem – nun ja – Kampfhund entgegen, der interessiert die Regalreihen abschreitet. Ich höre, wie die Frau vor sich hinmurmelt: „Jetzt müssen wir noch diesen blöden Maulkorb kaufen....“ und denke noch: Ja, wieder einer dieser armen Köter, die nur aufgrund ihrer Rassezugehörigkeit ausschließlich mit Maulkorb geführt werden dürfen. Es ist ein kalter, regnerischer Tag; der Hund schnuppert hier und da und zittert ab und zu ein wenig. Die Besitzerin des Hundes spricht beruhigend auf ihn ein: „Du musst keine Angst haben, mein Schätzchen, ich bin ja bei dir, keine Sorge!“
Das finde ich jetzt noch nicht einmal besonders bemerkenswert, denn ich habe mit Sicherheit auch schon so ähnlich mit einem unserer Hunde gesprochen – zum Beispiel beim Tierarzt –, weil ich einfach glaube, dass der beruhigende Tonfall, in dem mit dem Hund gesprochen wird, entscheidender ist als der Inhalt des Gesagten.
Auf die Zunge beiße ich mir jedoch, als der Hund weiter schnüffelnd an den Leckerchenkisten entlang trödelt und die Frau ihn mit Säuselstimme auffordert: „So, dann darfst du dir jetzt mal was aussuchen. Was möchtest du denn haben, hm? Such dir mal was aus!“
Und bevor der Joey daheim statt der Rinderkopfhaut (meine abgebissene) Menschenzunge verspeisen muss, höre ich lieber weg und eile zur Kasse.
Ach ja, die Hunde haben's schon nicht leicht mit uns Menschen: Ihre wechselnden Rollen im Laufe der Jahrtausende dauernden Domestizierung waren mit Sicherheit nicht immer einfach. Die momentane Rolle als quasi Kinder-Ersatz, die sie immer öfter übergestülpt bekommen, macht's wahrscheinlich auch nicht viel besser und den Hund vor allem nicht unbedingt zu einem glücklicheren Wesen.
Und der Hund da bei Fressnapf – der hieß bestimmt 'Marie' oder so...

Was mal Namen: Keks (re.) und Krümel (li.) - die Stars des Tierheims 2012.
Die hätten wir wohl genommen. Wenn's nicht grad zwei gewesen wären...
Kommentar schreiben